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Erste Kontaktaufnahme mit unserem höchsten Gipfel – Zugspitz Projekt

  • 30 km
  • 2100 HM
  • 6 Stunden

Mein Plan war, direkt von unserer Unterkunft in Garmisch über die Partnachklamm durchs Reintal auf den Berg und das ganze wieder retour zu laufen. 5h im Aufstieg und 3h im Abstieg waren eingeplant. Dazu noch eine Pause auf dem Gipfel und ein leckeres Essen mit meiner Mareike, die mit der Gondel hochfährt und ebenfalls zum ersten Mal auf dem höchsten Punkt Deutschlands steht. 50km und 2500HM Gesamt. So weit so gut…
Die Umsetzung lief jedoch ein klein wenig anders.

Dort oben hinter den vorgelagerten Bergen liegt das Ziel

4:30 klingelt der Wecker. Schließlich fängt am Berg der frühe Vogel den Wurm und ein kleines Frühstück muss auch sein. Um 6 Uhr möchte ich schließlich am Eingang der Partnachklamm stehen und als erster in dieses einzigartige Geotop entlassen werden. Den Rucksack hatte ich schon am Vorabend in aller Ruhe gepackt und vorsorglich Regenjacke und Regenhose im wasserdichten Beutel verstaut. Kurz vor halb 6 geht es los – und prompt verlaufe ich mich in Garmisch. Warum? Ich habe auf meinem Oregon einen Track, der nach dem Abstieg noch eine Schleife über Ehrwald und den Eibsee beinhaltet und laufe prompt in Richtung dieses beeindruckenden Sees los… Das muss noch meine Morgensmüdigkeit sein. Also sind gleich 1 bis 2 Extrakilometer auf der Uhr!

Die bekannte Skisprungschanze! Mit Schnee bestimmt noch beeindruckender…

Der Fehler wird natürlich irgendwann bemerkt und die korrekte Richtung zur Skisprungschanze eingeschlagen, um von da aus den leicht ansteigenden Weg zur Partnachklamm einzuschlagen. Doof ist nur, dass ich um ca. 6:20 vor verschlossenem Tor stehe, obwohl sie laut Internet offen haben sollten.

Innerhalb der Öffnungszeiten ohne irgendwelche Hinweise…
Links unten wäre der eigentliche Weg durch die Klamm gewesen…

Nicht aufregen und oberhalb der Klamm über die Partnachalm weiter vorwärts gehen. Sind ein paar Höhenmeter und Schritte mehr, aber daran soll es nicht scheitern. Der Ausblick auf die Klamm ist trotzdem beeindruckend. Zur Partnach komme ich schließlich einige Kilometer später wieder zurück und folge ihr das Reintal weiter flussaufwärts. Zu Beginn auf gut ausgebauten Schotterwegen, später dann über kleinere Pfade. Obwohl es immer leicht aufwärts geht, kann ich die meiste Zeit laufen und komme gut vorwärts. Angesichts der beeindruckenden Bilder von hohen Steilwänden, einem mäandrierenden Fluss auf einem breiten Schotterbett und einer zauberhaft klingenden Musik von abwärts schießendem Wasser, lass ich mich vom Regen nicht aus der Ruhe bringen und krame die Regenjacke heraus. Beim Verlassen des Reintals an der Abzweigung zum Oberreintal und dem Einschwenken auf den Wanderweg 801 Richtung Knorrhütte wird es dann um einiges wilder und beeindruckender.

Der kleine Umweg über die Alm führt mich an dieser malerisch vom Sonnenlicht beschienen Kapelle vorbei
Die Partnach windet sich über ein Schotterbett durch das schroffe und beeindruckende Tal

Kaltes Schmelzwasser muss mehrfach passiert werden (hätte ich nur die dichten HokaOneOne Speedgoat MID und nicht die normalen Speedgoat…) und nun erscheinen die Berge zum ersten Mal an diesem Wochenende als wirklich groß und mächtig. Es ist aber noch nicht kalt, die Jacke hält dicht und ich komme flott vorwärts (die Wanderer schauen öfters etwas verduzt und entgeistert, aber daran gewöhnt man sich). Die Reintalangerhütte bei ca. 1300Hm markiert dann den entscheidenen Punkt im Höhenprofil. Kurz darauf verlasse ich die eigentliche Waldzone und werden nur noch von ein paar Latschen bewacht.

Die Reintalangerhütte – neben der Knorrhütte die wichtigste Übernachtungsstation für Wanderer

Der Partnach folgend, lande ich im herbeigesehnten alpinen Umfeld und werde nun zum Gehen gezwungen. Nach der Quelle des Flusses geht es nun richtig steil über Geröll bis zur Knorrhütte (auf 2050 Meter) hoch. Weitere Wanderer werden marschierend überholt und langsam beginne ich in der kurzen Hose zu frieren. Dazu kommt nun ein kräftiger Wind und weitere Bachdurchquerungen. Bis zur Hütte ist bisher aber alles schneefrei und dort ziehe ich frohen Mutes die Regenhose an, streife die dünnen Unterziehandschuhe über und setze das dünne Stirnband auf. Danach hört es aber mit Lustig auf.

Wenigstens ist hier die Sicht noch in Ordnung!

Vor den letzten 900 Höhenmeter habe ich Respekt, weil es noch einiges an Kraft kostet, aber ich weiß, dass dies klappen wird und ich am Rückweg fast nur noch bergab laufen muss. Also alles ohne Probleme.
Rutschiger Schnee, unter 10 Meter Sicht, Regen der in Hagel übergeht, starker Wind und Temperaturen um den Gefrierpunkt ab 2100 Meter. Verdammt! (Zu diesem Zeitpunkt weiß ich nocht nicht, dass ich für die nächsten 3km über 1h brauchen werde…) Der Abstieg wird abgehakt, weil ich massiv länger brauche und ich nicht weiß, wie ich hier zügig hinunter laufen soll. Ich schreibe Mareike an (hier oben gibt es sogar LTE), informiere sie von meiner Verspätung und meiner Planänderung. Zig Wanderer sammel ich nun ein und arbeite mich so schnell es geht aufwärts, rutsche aus, fall auch mal hin und friere langsam immer mehr. Und dann der Super-GAU: Wandermarkierungen sind nicht mehr zu sehen und jeder läuft nur noch den Fußspuren der vorherigen entlang – bis ich vor der Gletscherbahn (2500 Meter) stehe!!! Scheiße – die Abzweigung zur Zugspitze habe ich verpasst. Anscheinend ist in den letzten Minuten/Stunden niemand mehr auf diesem Wege zur Zugspitze hoch und es gab keinerlei Spuen mehr. Was nun? Ich kann natürlich zurück, müsste dann aber wieder etwas Absteigen oder ich nehme den Weg von der Station zum Gipfel über einen anderen Wanderweg. Dauer zum Wandern bei guten Bedingungen 1,5h – also hätte ich bei diese Wetter wahrscheinlich knapp 1h gebraucht. Ich rufe Mareike an – und sie rät mir kurz und bündig mit der Gletscherbahn die letzten 400HM zum Gipfel zurückzulegen. Das Gipfelkreuz kann ich eh nicht sehen, sagt sie, weil der Zugang auf Grund des blanken Eises gesperrt ist und die Sicht hier oben genau so schlecht ist.

Das ist der Ausblick Richtung Gipfelkreuz…

Nun reicht es mir; ich gehe zum Schalter, bestelle mir ein Ticket – und kann nicht zahlen… Ich kriege mit den kalten Fingern einfach nicht die Karte aus meiner Hülle, weil ich nichts mehr spüre. Irgendwann gelingt mir der Kampf mit der Karte, meiner laufenden Nase und meinen Taschen dann doch und ich erhalte zur Belohnung noch eine kleine Tüte Gummibären. Oben angekommen, werde ich direkt von meiner Frau in Empfang genommen, bekomme eine warme Jacke (zittern tu ich trotzdem noch bis wir eine Stunde später im Auto am Eibsee sitzen), ein alkoholfreies Weizen und einen erstaunlich guten Kaiserschmarrn! Hier oben fühle ich mich fehl am Platz. Fast nur Besucher, die mit der Gondel hochgefahren sind und durch die Hallen schlendern, während ich stinkend und zitternd in Sportklamotten auf einem Hocker sitze. Nichts wie runter zum Eibsee!

Der gesperrte Weg zum Gipfelkreuz
Das berühmte Münchner Haus auf der Zugspitze

Die Gondel rauscht mit einer unglaublichen Geschwindigkeit gen Tal und unterhalb der 2000 Meter wird die Sicht auch wieder klar und der Eibsee taucht in voller Pracht auf !!!
Unten ist es deutlich wärmer (ich werde trotzdem bis zum Abend leicht frieren) und nach rund 6h ist das ganze Abenteuer auch beendet. Nach dem Duschen und einem Belohnungsbier schlendern wir in die Innenstadt von Garmisch, stöbern durch die Geschäft und lassen es uns mit dem Essen und Trinken gut gehen.

Beeindruckend direkter Übergang vom Wald zum Felsmassiv!
Der Eibsee unterhalb der Wolkendecke

Wie fühlt es sich nun an? Die Zeit in dieser einmaligen Landschaft bereue ich nicht. Ich habe so viele schöne Dinge gesehen und so viele Kilometer einfach nur genießen können, dass ich zufrieden bin. Warum nicht ganz glücklich? Den Abstieg vermisse ich nicht; es wäre zwar eine coole Sache gewesen, einen solch langen Downhill zu laufen, aber das muss nicht sein. Mir fehlt viel mehr das Gipfelmoment! Das Gefühl es geschafft zu haben. Die Kraft war da, das Gelände war gut zu händeln, die Motivation stand und ich war schon knapp unterhalb des Gipfels – und habe es sein lassen. Wäre ich von der Station weiter aufgestiegen, hätte ich es trotz des Wetters und evtl. Eis geschafft, da bin ich mir sicher. Hätte es noch Freude bereitet? Nein. Es wäre ein Kampf gewesen, bei dem ich alleine unterwegs wäre (die anderen Wanderer sind alle in die Gletscherbahn gestiegen) und der mir auf Grund der Erschöpfung dann die schöne Zeit am Nachmittag mit meiner Liebsten gekostet hätte. ABER ich hätte den Kern meines Projekts erreicht. Habe ich die richtige Entscheidung getroffen? Alle die sich geäußert haben, sagten Ja. Nur warum fühlt es sich nicht so an?
Ich werde also wieder kommen, mein Ziel erreichen und weitere wunderbare Stunden in dieser Natur verbringen!

Laufende Grüße,
Thorsten

Weitere Fotos findet ihr auf meinem Nikon Image Space Konto

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